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Schirm - Drachen

Der Konstrukteur

Hermann Schreck hatte um 1900 in Berlin- Reinickendorf eine Tischlerei mit Sarglager und Leichenfuhrwesen - und arbeitete "im Stundenlohn" für das Aeronautische - Observatorium in Berlin- Tegel als Drachentischler. Seine Aufgabe bestand darin, neue Drachen anzufertigen und die beschädigten Drachen zu reparieren. Nachdem er 1905 eine Ausstellung am neu gegründeten Observatorium Lindenberg erhielt, hatte er es vor allem mit dem N - Drachen zu tun, der mit zahlreichen Verbindungsbeschlägen ausgestattet war und bei Beschädigungen viel Arbeit abverlangte.

Zur Konstruktion

Im Jahr 1903 wurde in Frankreich eine Spannvorrichtung für Drachen patentiert, die Hermann Schreck später vielleicht zu einer neuen Drachenkonstruktion angeregt hat. Schrecks neue Idee bestand darin, das Drachengestell ins Innere der Zellen zu verlegen und nur an wenigen Punkten der Zellen eine Verbindung mit der Bespannung herzustellen. Dazu erfand Schreck Spannvorrichtungen, wie sie ähnlich in einem Schirm wirksam sind. Daher bekam sein neuer, im Jahr 1910 zum ersten Mal in den Jahresberichten des Lindenberger Observatoriums erwähnter Drachen die Bezeichnung "Schirm - Drachen".

Der mehrteilige waagerechte Stab liegt im Inneren der Zelle. An seinen Enden befinden sich Kupplungen mit vier Spreizstäben: durch drehen der Rändelmutter werden die Stäbe gegen die Ecken der Zellbespannung gedrückt oder wieder gelöst.

Während nach dem Zerlegen des Vorläufers, des N - Drachens, immerhin noch große rechteckige, wenn auch flache Pakete entstanden, ließ sich der Schirm - Drachen zu einem recht kompakten Bündel zusammenlegen. Anders als bei früheren Drachen besteht das Gestell des Schirm - Drachens aus Bambusstäben. Nur für die Kupplungen mussten Metallbeschläge gefertigt werden: auch das bedeutete Vereinfachung für den Neubau und die Reparatur der Drachen. Der Schirm - Drachen wurde in mehreren Größen gefertigt, damit für jede Windsituation ein geeignetes Fluggerät zur Verfügung stand.

Die mit 5, 8 und 10 qm Segelfläche gebauten Schirm - Drachen hatten zwei gleichgroße Zellen, daneben gab es eine 7 qm- Version, deren hintere Zelle kleiner war. Gemeinsam war allen Versionen, dass die beiden Zellen durch vier Bambusstäbe miteinander verbunden waren, dazu verliefen im Innern der Zellen und zwischen den Zellen zahlreiche Spanndrähte.

Der Siegeszug

Der Schirm - Drachen wurde nicht nur am Lindenberger Observatorium sondern auch bei zahlreichen Forschungsexpeditionen ein zuverlässiges und unentbehrliches Arbeitsgerät.

Radioaktive Messungen


Während des 1. Weltkriegs gehörten Schirm - Drachen zur Standardausrüstung der sogenannten Felddrachenwarten, die dringend benötigte Wetterdaten für das Militär, vor allem für die Flugwetterberatung und die Artillerie, lieferten.

Felddrachenwarte

Mit dem Schirm - Drachen ist ein heute noch gültiger Weltrekord verbunden: Am 1. August 1919 stieg ein Gespann mit einem Hauptdrachen von 10 qm, 6 Hilfsdrachen von 8 qm und 1 Hilfsdrachen von 5 qm Segelfläche auf die bis heute unerreichte Höhe von 9740 m.
Noch 10 weitere Jahre blieb der Schirm - Drachen das wichtigste Fluggerät am Lindenberger Observatorium. Erst 1929 wurde er von dem Regulier - Drachen abgelöst, den der Ballonobergehilfe Rudolf Grund entwickelte.
Anmerkung von Dr. Hans Steinhagen: mit dem Einsatz des Schirm - Drachen konnten die Abreißer von 7 - 11% beim Lindenberger Normal - Drachen im Zeitraum 1905 - 1910 auf 3 - 4% von 1911 - 1919 reduziert werden.

Text: Walter Diem
Bearbeitung: Werner Schmidt/Claudia Hammer-Schmidt