Der Draht
Um Drachenaufstiege in Höhen von mehr als 500 m in effektiver Weise auszuführen, hat man als „Leine“ gehärteten Gußstahldraht - Klaviersaitendraht - benutzt.
Eine Schnur von gleicher Festigkeit hatte sowohl zuviel Gewicht als insbesondere einen zu großen Querschnitt und wurde infolgedessen zu sehr vom Wind herabgedrückt um bedeutende Höhen zu erreichen.
Gußstahldraht wurde in früherer Zeit von Felten und Guilleaume (Köln-Mühlheim) und Moritz Poehlmann (Nürnberg) in ausgezeichneter Qualität hergestellt.
Der Draht konnte in Stücken von 1-4 km auf Spulen gewickelt bezogen werden und zwar in den Stärken 0,7 - 1,1 mm. Dieser Draht wurde auf die Spulen der Winde umgewickelt und dabei zu Längen bis 20 000 m = 20 Km !! mittels einer speziellen Spleißtechnik verbunden.
Die Zerreißfestigkeit eines Drahtes von 0,7 mm Durchmesser betrug 110 kg und ist zu vergleichen mit einer guten Hanfschnur von ca. 4 mm Durchmesser.
1000 m Draht 0,7 mm Durchmesser wiegen 3,1 kg. Dieselbe Länge 4 mm Hanfschnur dagegen 10 – 15 kg, also drei bis fünfmal soviel.
Pflege des Drachendrahtes
Der geringe Durchmesser des Drahtes und die Sprödigkeit des Materials machten eine sorgfältige Behandlung notwendig. Der Draht mußte gegen Verletzungen, die den Querschnitt verringerten, geschützt werden.
Vor allem war Rost zu Vermeiden. Daher mußte der Draht bei feuchtem Wetter ständig geölt werden. Man erreichte dies leicht, indem man während des Betriebes die Trommel ölte und außerdem den Draht durch ölgetränkte Filzbacken laufen ließ. Durch diese Maßnahme wurde auch vermieden, daß das Wasser, das sich bei Wolkenaufstiegen am Draht sammelte, beim Einholen auf die Trommel kam und dort zur Verrostung führte.
Weiter war alles zu vermeiden was zu einer scharfen Knickung des Drahtes führen konnte. Meist entstanden die scharfen Knicke (Kinke) aus Drahtschlingen, die bei Zug nicht wieder aufgingen.
Ganz allgemein mußte jede Schlingenbildung vermieden werden. Es war daher zweckmäßig, alle stark verdrallten Drahtstücke, die anfingen, Schlingenbildung zu zeigen, herauszuschneiden.
Die Verdrallung des Drahtes entstand in den meisten Fällen dadurch, daß der Draht unter sehr hohem Zug über eine Rolle mit zu kleinem Radius geführt wurde.
Wenn das Drachengespann sehr häufig stark ansegelte und dann wieder zurückfiel bildeten sich durch die Entlastung leicht Schlingen. Durch Verwendung möglichst großer Rollen konnte ein Verdrallen und eine mögliche Schlingenbildung auf ein Minimum beschränkt werden.
Bei häufigem Gebrauch mußte der Draht von Zeit zu Zeit ausgewechselt werden und zwar auch dann, wenn er noch keinen sichtbaren Schaden zeigte.
Dies galt besonders für die am meisten beanspruchten Teile, also die oberen Drahtlagen der Trommel, die durch Landungsmanöver stark in Mitleidenschaft gezogen wurden
Am Observatorium Lindenberg wurden bei durchschnittlich erreichten täglichen Höhen von 3-4 km die letzten 2-3 km etwa alle 4 Monate gewechselt.
Unbedingt auszuwechseln war der Draht, wenn eine stärkere elektrische Ladung über ihn erfolgt war, auch ohne daß eine sichtbare Verbrennung stattgefunden hatte.
In einer Anmerkung von Richard Assmann ist zu lesen:
Wenn der Drachen nicht mit Drahtseil, sondern mit Schnur gefesselt ist, so muß man seine Metallteile (Spanndrähte) leitend mit dem Fesseldraht verbinden, um starke Aufladungen und hierdurch Entladungen oder sogar Verbrennungen der Fesselung zu vermeiden.